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Die Deutschen sind in der Lage, Wertarbeit zu erbringen, jedoch nicht luxuriös zu sein Warum ist dies der Fall?


Unmögliche Unvernunft Wir Deutschen können Wertarbeit – aber keinen Luxus. Warum ist das so?

Per Laser wird bei Rimowa die Struktur des fertigen Koffers kontrolliert

Per Laser wird bei Rimowa die Struktur des fertigen Koffers kontrolliert

© Sebastian Wolf

Deutschland und der Luxus, das ist eine schwierige Beziehung. Aber warum nur? Und lässt sich das ändern? Eine Erkundung zwischen Rimowa-Koffern, Porsche-Sportwagen und der deutschen Seele

Klopf, klopf macht Rillenanlage Nummer 2. Schon schiebt sie Aluplatten mit jenem charakteristischen Muster heraus, das das spätere Produkt bereits erkennen lässt. In einer anderen Halle reicht ein Roboterarm die geriffelte Platte an, ein zweiter formt sie über eine Rolle. Schließlich klemmt ein Monteur einen Metallrahmen darauf. Das ist hakelig, das quetscht und scheppert bei der Firma Rimowa – die hier in einem ungastlichen Gewerbegebiet in Köln seit Jahrzehnten Alukoffer baut. „Dies ist die Grundsteinlegung“, sagt ein Produktionsingenieur über die Rahmenmontage. Erst hier werde der Koffer zum Koffer.

Es ist Handwerk, es ist Tradition, es ist eine deutsche Tüftlergeschichte, so erklärt es der Ingenieur und zeigt auf eine Gerüstkonstruktion. „Hier ist die Brücke, die sich Dieter Morszeck hat bauen lassen, um die Produktion zu überblicken.“ Bis 2017 stand da der Patron Montagfrüh über der Werkhalle und rief dann seine Leute zu sich, um ihnen die Produktverbesserungen aufzugeben, die er am Wochenende erdacht hatte. Die solidesten Koffer sollten sie bauen. Koffer, deren Schlösser noch geschmeidig öffnen, wenn sie wiederholt aus einer Cessna auf die afrikanische Piste gepurzelt sind. Deren Rollen noch rollen, wenn sie beständig über die Gepäckbänder der Weltflughäfen gewürfelt wurden.

Das neue monothematische „Capital Extra – die Luxus-Ausgabe“ ist eine Hymne auf die Unvernunft – und liegt ab dem 7. Oktober am Kiosk. Hier können Sie es bestellen

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Die Tüftlergeschichte aber ist längst zu Ende. Dieter Morszeck, Sohn des Markenbegründers, verkaufte die Mehrheit vor sechs Jahren an den französischen Konsumgüterkonzern LVMH und wurde später ganz hinausgedrängt. Seit dem Einstieg der Franzosen weht ein neuer Wind in Köln-Ossendorf. Keiner steht mehr montags auf der Brücke. Stattdessen seien „Konzerndenken und Berichtswesen“ eingezogen, sagt ein Mitarbeiter. Es gibt weiter Innovationen, aber es sind nun oft Kooperationen mit Künstlern oder Modefirmen aus dem LVMH-Reich, die Aufmerksamkeit auf die Koffer lenken sollen. Variationen in Ästhetik, nicht zum Produktnutzen.

Der Einstieg der Franzosen hat einen Kulturschock in Ossendorf ausgelöst, der bei vielen bis heute anhält. Dabei ist solch eine Übernahme in der globalen Konsumwelt ein Ritterschlag: Als erstes und einziges deutsches Unternehmen fand Rimowa Aufnahme in den Markenkosmos von Bernard Arnaults LVMH-Konglomerat. Der entsandte zunächst seinen Drittgeborenen Alexandre, um in Köln die Geschäfte zu führen. LVMH, das sind die Profis des Luxus, die Marken und ihre Produkte auf der ganzen Welt immer größer und begehrter machen, die Preise und Gewinne nach oben treiben und – sofern man ihnen selbst glaubt – Handwerk und Tradition schützen. LVMH hat gerade in der Coronaflaute eine Menge Geld in die Neuerwerbung gesteckt. Aber manch einer in Köln fühlt sich noch unwohl. Luxus?

Sicher, Rimowa-Koffer waren auch vorher schon Statussymbole. Aber das Riffeldesign repräsentierte Funktionalität – die geprägten Ritzen machen das Alu stabil. Unter den Franzosen laufen plötzlich Handyhüllen aus Riffel-Alu durch die Produktion, was funktionsmäßig wenig Sinn ergibt. Doch für den Weltkonzern LVMH ist es Kern der Strategie, das Produktangebot zu vervielfältigen.

Deutschland und der Luxus, das ist eine schwierige Beziehung. Deutsche kaufen nicht so gern ausgewiesene Luxusprodukte – allein in Paris wird im Jahr mehr Geld damit umgesetzt als in ganz Deutschland, sagen Zahlen der Beratung Bain. Und deutsche Unternehmen sind im globalen Luxusgeschäft kaum vertreten, jedenfalls wenn es um sogenannten „persönlichen Luxus“ geht, Handtaschen, Uhren, Schmuck, Mode. Dort tummeln sich Franzosen, Italiener, Briten, Amerikaner. Ja, Konsumartikel aus Deutschland sind oft teuer und hochwertig. Sie müssen es sein, wenn sie hierzulande entwickelt und gefertigt werden. Aber Anbieter scheuen die Methoden des Luxusmarketings, die LVMH-Eigner Bernard Arnault zeitweise zum reichsten Mann der Welt gemacht haben: mit großen Marketingbudgets große Gefühle schaffen, Angebot verknappen, Preise steigern. Und wenn die Deutschen sie doch anwenden, dann ungenügend.

Handarbeit und Präzision – Arbeiter an einer Anlage der Kofferfabrik

Handarbeit und Präzision – Arbeiter an einer Anlage der Kofferfabrik

© Sebastian Wolf

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Author: Connie Reynolds

Last Updated: 1699083482

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